Klimawandel: Das Südpolarmeer ist doch nicht am Ende
Wie eine riesige Lunge saugt das Südpolarmeer im Jahresverlauf Kohlendioxid ein und gibt es später wieder an die Atmosphäre ab: Das Plankton nutzt es im Sommer für seine Fotosynthese; wenn es abstirbt, wird wieder Kohlenstoff freigesetzt. Ein Teil davon sinkt jedoch mit der Biomasse in die Tiefsee und wird dort langfristig zwischengelagert. Wie viele andere Meeresregionen gelten die Ozeane rund um die Antarktis daher als Kohlenstoffsenke. Allein das Südpolarmeer nimmt schätzungsweise 40 Prozent des Kohlendioxids auf, das von Menschen freigesetzt wird und in den Ozeanen landet. Vor einigen Jahren wurden jedoch Befürchtungen laut, dass die Region ihre Kapazitätsgrenzen erreichen könnte: Seit Ende der 1980er Jahre nahm das Meer nicht stetig mehr Kohlendioxid auf, obwohl dessen atmosphärische Konzentrationen weiter gestiegen sind. Dabei hätte genau dies der Fall sein sollen. Eine neue Arbeit von Nicolas Gruber von der ETH Zürich und seinem Team zeigt nun jedoch, dass sich der Trend seit der Jahrtausendwende wieder umgekehrt hat: Das Südpolarmeer fungiert erneut als starkes Kohlenstofflager und wächst sogar in seiner Aufnahmefähigkeit.
Für ihre Studie analysierten die Wissenschaftler Messungen der ozeanischen CO2-Konzentrationen südlich des 35. Breitengrades, woraus sie den Austausch zwischen Wasser und Luft berechneten. Dabei konnten sie auf Millionen Daten zurückgreifen, weil nicht nur Forschungs-, sondern mittlerweile auch Handelsschiffe routinemäßig und nach internationalen Standards die Kohlendioxidwerte des Oberflächenwassers erfassen. Regionen, die abseits der wichtigen Routen liegen, wurden mit Hilfe eines neuen Modells einbezogen, um die Lücken zu füllen. Diese Methode beruht auf dem Vorbild neuronaler Netzwerke und berücksichtigt Satellitendaten zu Wassertemperatur, Salz- sowie Chlorophyllgehalt des Meerwassers. Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Berechnungen und Beobachtungen, dass sich die Senkenleistung der Region ab 2002 wieder erholte und ab 2010 so stark war, wie es die Forscher anhand der steigenden CO2-Werte in der Atmosphäre erwartet hatten.
Schuld daran sind veränderte Wetterlagen: So hatte sich seit der Jahrtausendwende über dem Südatlantik ein starkes und stabiles Hochdrucksystem gebildet, dem über dem Südpazifik ein ausgeprägtes Tiefdruckgebiet gegenüberstand. Die vorherrschenden Windsysteme bewegen sich deshalb eher wellenförmig fort, während sie in den 1990er Jahren konstant von West nach Ost bliesen. Zugleich schwächten sie sich in den letzten Jahren ab. Dadurch wird mittlerweile weniger kohlenstoffreiches Tiefenwasser nach oben befördert und damit auch weniger Kohlendioxid an die Atmosphäre abgegeben, was die Senkenleistung nun wieder verstärkt. Zugleich veränderten sich auch die Temperaturen des Oberflächenwassers. Der Südatlantik geriet in den Einflussbereich warmer Luft aus den Subtropen, so dass sich dieser erwärmte. Gleichzeitig leitete das unübliche Tiefdrucksystem über dem Südpazifik außergewöhnlich kalte Luft aus dem Innern der Antarktis auf das Meer, weshalb es sich stark abkühlte und sich mehr Kohlendioxid darin lösen kann. Doch selbst der wärmere Atlantik nimmt weiter netto mehr von dem Treibhausgas auf, was dort allerdings den veränderten Windverhältnissen zu verdanken ist.
Prognosen ließen sich mit ihrem Modell jedoch nicht treffen, so Gruber. Fortgesetzte Messreihen müssen also zeigen, wie die Entwicklung weitergeht und ob sie von – natürlichen – periodischen Zyklen der Ozeane abhängen.
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